Frau Prof. Wangemann, Sie waren über 20 Jahre Opernsolistin und wechselten 2008 als Gesangsprofessorin an die Dresdner Musikhochschule.
Wie fällt Ihr Resümee aus?
Es war das Beste, was passieren konnte. Und damit meine ich beide Phasen meines Berufslebens. Ich bin sehr glücklich, so gute Jahre als Sängerin erlebt zu haben und jetzt auf dieser Grundlage mit einer neuen „Berufung“ tätig sein zu können.
Sie sind von der Bühne an eine Musikhochschule gewechselt. Warum?
Ich war Sängerin im leichten lyrischen Sopranfach und habe eigentlich alle wichtigen und schönen Rollen gesungen. Als Sänger muss man sich allerdings auch fragen: was kommt danach – was kommt in der zweiten Lebenshälfte!
Ich wollte dann aufhören, wenn es noch gut geht, vor allem eigene Entscheidungen treffen, ehe es andere tun.
Meine Unterrichtstätigkeit hat noch während meines Engagements als Solistin an der Leipziger Oper begonnen. An der Martin-Luther-Universität in Halle habe ich vorrangig Lehramts-und Pädagogikstudenten unterrichtet. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit, die auch eine Phase des eigenen Lernens und der intensiven Auseinandersetzung mit dieser Materie für mich war.
Ich unterrichte mit derselben Leidenschaft, mit der ich gesungen habe.
Wie sehen Sie die Chancen für junge Sänger in der heutigen Zeit?
Es ist hart, aber man kann es schaffen, wenn die Voraussetzungen für diesen Beruf vorhanden sind.
Die da wären?
Stimmmaterial, Begabung, Fleiß, Neugier, Geduld, starke Nerven. Wir sprechen gern vom „Gesamtpaket“, was stimmen muss.
Wodurch sind Sie zum Singen gekommen?
Ich war von frühester Kindheit an im Theater, meine Mutter war Sängerin, mein Vater Schauspieler. Ich habe es geliebt, bei Proben zuzuschauen und als Kind auch schon selbst mitzuspielen. Ich habe stundenlang zu Opernschallplatten mitgesungen. Es war vollkommen klar, dass ich auf die Bühne will.
Gab es keine Alternative?
Eigentlich nicht. Hätte es zwingende Gründe gegeben, dann wäre Psychologie sicher eine interessante Richtung für mich gewesen.
Hatten Sie eine Lieblingspartie?
Ja, zwei: die Armida in „Rinaldo“ von Händel und die Musetta in „La Bohème“ von Puccini.
Was bedeutete es für Sie, auf der Bühne als Sängerin und Darstellerin gleichermaßen zu agieren?
Es war eine große Lust für mich, beides zu sein, Sängerin und Schauspielerin. Das ist für mich immer eine Einheit gewesen.
Spannend ist, wenn Figuren wirklich ausgelotet werden, wenn die Frage gestellt wird, warum Menschen dieses oder jenes tun. Ich kann nur etwas authentisch singen und spielen, wenn ich den Menschen, den ich darstelle, begreifen, körperlich und emotional erfassen kann, mit allen Widersprüchen, die wir ja selbst auch in uns haben.
Ich hatte das Glück, mit sehr guten Regisseuren und Dirigenten arbeiten zu können. Mich hat stets das Ganze interessiert.
Was ist Ihnen neben dem Singen und Unterrichten noch wichtig?
Natürlich mein Privatleben; dazu gehören zuallererst meine persönlichen Beziehungen. In der Freizeit bin ich oft in der Natur, mache regelmäßig Yoga und gehe nach wie vor leidenschaftlich gern ins Theater.
Was war das bisher wichtigste Ereignis in Ihrem Leben?
Die Geburt meiner Tochter Sophie.
Das Gespräch führte die Operndramaturgin Marita Müller im Juli 2019.